Lambik - Die Faszination der spontanvergorenen Biere

15. Januar 2023

von Medea Tappeiner

Als Mutter aller heute verbreiteten Bierstile und -sorten gilt das Lambik. Begibt man sich auf seine Spurensuche, taucht man in eine einzigartige und faszinierende Welt des Bieruniversums.

Beheimatet ist dieser belgische Bierstil im Flämisch Brabant. Entlang des Senne-Tals südwestlich von Brüssel bis Halle erstreckt sich ein hügeliges und ländliches Gebiet welches seit einiger Zeit den Namen Pajottenland trägt.

Bereits im 15. Jahrhundert war die Region Brabant bekannt für seine Bierspezialitäten, da in der nahen Umgebung alle Rohstoffe, welche für das Brauen von Bier notwendig waren, in guter Qualität zur Verfügung standen.

Auch in Belgien wurde schon zur damaligen Zeit Gerste bzw. Gerstenmalz zum Brauen von Bier verwendet. Das Streben nach einer guten Bierqualität brachte jedoch die Erkenntnis, dass durch das Hinzufügen eines Teiles Weizen die Qualität des Bieres deutlich gesteigert und es somit auch länger haltbar wurde. Auch dem brabantischen Herzog Johann IV war dies bekannt, welcher die Brauer bereits im Jahr 1420 dazu verpflichtete einen Mindestanteil von Weizen zum Brauen zu verwenden. Aus einem Text von Remy Le Mercier, aus dem Jahre 1559 geht hervor, dass die typischen lokalen Biere in Halle zu dieser Zeit mit mindestens 37,5 % Weizen und 62,5 % Gerste gebraut wurden. Damals wurden die Biere zwar anders genannt, 1970 wurde allerdings belegt, dass es sich bereits Mitte des 16. Jahrhunderts um die historische Biersorte Lambik gehandelt hat.

Besonderheiten des Lambiks
Das Besondere an der Lambikherstellung ist vor allem das Verwenden eines hohen Weizenanteils. Dieser sorgt in jungen und frischen Bieren für einen milderen Geschmack und unterstützt bei gealterten Varianten den weinigen Charakter.

Typisch ist außerdem der Gebrauch von Doldenhopfen. Früher wurde zum Teil frischer und zum Teil gealterter Hopfen verwendet. Diese kommen zwar in großen Mengen zum Einsatz, dem fertigen Lambik fehlt aber bereits früher schon jeglicher Hopfengeschmack. Ursprünglich wurde vor allem die in Belgien angebaute Hopfensorte Coingeau verwendet, welche sich besonders durch den niederen Alpha-Säuregehalt auszeichnete. Der Hopfen wurde nie wegen seiner Aromatik oder seiner Bittere eingesetzt, sondern einzig und allein wegen seinen antibakteriellen und konservierenden Eigenschaften. Als der belgische Hopfen von den edlen Sorten aus Deutschland, Tschechien und England verdrängt wurde, mussten die Brauer des Pajottenlandes nach Alternativen suchen und verwendeten seitdem ausschließlich gealterte Sorten. Auch heute kommen in den Lambikbrauereien vor allem bis zu drei Jahre gealterte Doldenhopfen zum Einsatz. Diese haben einen höheren Polyphenolgehalt und reifen durch die größere Oberfläche schneller.

Aber auch im Brauverfahren selbst gibt es beim Lambik einige Besonderheiten. Neben dem Brauen von Oktober bis Ende April werden diese Biere im so genannten Turbid Mash-Verfahren hergestellt, welches mit dem Dekoktionsverfahren verglichen werden kann. Im Anschluss an das aufwendige Maischverfahren wird die Lambikwürze schließlich noch für ca. vier bis sechs Stunden gekocht. Durch das lange Kochen wird das antibakteriell wirkende Humulon und Lupulon extrahiert, wo hingegen die Polyphenole immer noch erhalten bleiben. Zudem erreicht man hier den gewünschten Stammwürzegehalt, überflüssige Proteine werden ausgefällt und eine Maillard-Reaktion wird verursacht, wodurch man später einen Schutz vor Oxidation und dadurch auch vor den Befall von Essigsäurebakterien hat.

Nach dem Kochen muss die Würze wie bei jedem Bier abgekühlt werden. Bei der traditionellen Herstellungsweise eines Lambiks spielt das Abkühlen in einem Kühlschiff, an einem gut belüfteten Ort eine sehr wichtige Rolle. Die heiße Würze wird dafür in ein großes, breites und niederes Becken gepumpt, wo sie über Nacht abkühlen kann. Hier können erste Bakterien und Mikroorganismen aus der Umgebung der Brauerei auf die Würze übergehen, damit später eine spontane Gärung starten kann. Und genau diese spontane Gärung ist verantwortlich für den einzigartigen Geschmack des historischen Bierstils.


Das Kühlschiff der Brauerei Cantillon / Bildquelle Medea Tappeiner

Gärung
Ist die Lambikwürze schließlich abgekühlt wird sie in unterschiedlich große Holzfässer gepumpt, wo die Gärung und Reifung des Lambiks starten kann. Das Mikroklima im Pajottenland ist einzigartig. Abhängig vom Terrior können verschiedene Geschmacksausprägungen entstehen, wodurch die Lambikbiere mit ihren typischen Eigenschaften nirgendwo auf der Welt genau in der Art nachahmbar sind. Die über 200 verschiedenen Mikroorganismen, welche man in einer solchen Würze finden kann, nehmen alle einen unterschiedlichen Einfluss auf den Gärprozess und den finalen Geschmack des Bieres. Bestimmte Bakterien und wilde Hefen sind für den Verlauf der spontanen Gärung und die dadurch entstandene sensorische Entwicklung aber essentiell. Vor allem Mikroorganismen wie Saccharomyces, Pediococcus, Lactobacillus und Brettanomyces sowie ihre, durch die Gärung entstandenen Nebenprodukte wie Säuren, Alkohole und Ester sind für den Fermentationsprozess besonders wichtig.
Bei der Gärung eines Lambiks spricht man von einer Stufenfermentation. Verschiedene Mikroorganismen finden zu verschiedenen Zeiten optimale Bedingungen oder schaffen ein Optimum für später folgende Bakterien oder Hefen. Zum Teil gehen die Fermentationsphasen ineinander über, zum Teil können sie sich überschneiden oder laufen parallel voneinander ab. In jeder Phase dominieren dennoch spezifische Mikroorganismen, welche für diverse Vorgänge verantwortlich sind.

Nach der Gärungsphase, die bis zu zwei Jahre dauern kann, folgt schließlich noch eine Reife-Phase. In dieser letzten Phase entstehen die meisten, für ein Lambik typischen Aromen und gilt deshalb als besonders wichtige Endphase in der Herstellung.


Holzfässer bei Oud Beersel / Bildquelle Medea Tappeiner

Trinkgenuss
Das Lambik in seiner ursprünglichen und originalen Form ist kaum außerhalb des Pajottenlandes zu finden. Aber auch in seiner Heimatregion muss man diese Spezialität beinahe suchen. In den Brauereien oder in ausgewählten Cafés in deren Umgebung kommt man in den Genuss dieser originalen und ursprünglichen Bierspezialität, welche (natürlich ohne Kohlensäure) aus einem Tonkrug eingeschenkt wird. Meist wird das Lambik jedoch weiterverarbeitet bzw. verfeinert und landet als Faro, Geuze, Kriek usw. auf unserm Gaumen.


Lambiks werden aus dem Krug ausgeschenkt / Bildquelle Medea Tappeiner

Autorin

Medea Tappeiner
Member of the Institute of Masters of Beer

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